Starke Lady am Kap

Von Claudia Mende · · 2009/11

Als Bürgermeisterin von Kapstadt sagte Helen Zille der Korruption den Kampf an. Nun überrascht sie abermals: Sie ist Premierministerin der südafrikanischen Provinz Western Cape.

Herumreden und harmlosen Small Talk gibt es nicht bei Helen Zille. Die 58-jährige Südafrikanerin verkündet ihre Botschaft konzentriert und in geschliffenem Englisch: „Wir schaffen es in Südafrika. Die Weltmeisterschaft, Demokratie und Entwicklung.“ Natürlich bekommt sie bei ihrem Besuch einer internationalen Konferenz in Bonn wie so oft die Frage aller Fragen zu hören: Ob denn nun die Stadien rechtzeitig fertig würden und die Sicherheit der Fußballfans gewährleistet sei, nächstes Jahr. „Wir arbeiten hart an der Infrastruktur“, antwortet sie, „und haben bisher alle Termine eingehalten. Wir werden euch großartige afrikanische Spiele bieten.“

Helen Zille ist Tochter deutscher Juden, die vor den Nazis nach Südafrika flohen. Vater Wolfgang Zille emigrierte bereits 1934, die Mutter 1939. In Südafrika lernten sich beide kennen. Erschüttert, in Südafrika wieder eine Blut-und-Boden-Mentalität anzutreffen, stieß die Familie bald zur Anti-Apartheid-Bewegung. Die Lebenseinstellung ihrer Eltern hat Helen Zille geprägt. Als politische Korrespondentin der liberalen Tageszeitung Rand Daily Mail deckte sie 1977 die Hintergründe der Ermordung des schwarzen Bürgerrechtlers Steve Biko durch die Sicherheitspolizei auf. Nach dem Ende der Apartheid 1994 entschied sie sich für eine politische Karriere bei der Democratic Alliance (DA).

2006 wurde sie knapp vor einer Vertreterin des ANC (African National Congress) – der regierenden Partei in Südafrika – Bürgermeisterin der Dreimillionenmetropole Kapstadt. Danach wurde sie massiv persönlich angefeindet. Sie brauchte teilweise Personenschutz, ihr Haus im Stadtteil Observatory wurde bewacht. „Godzille“, Monster vom Kap, nannten ANC-Leute sie gehässig. Die Aufgaben der neuen Bürgermeisterin waren schier unbewältigbar. Korruption, Wohnungsnot, Kriminalität und Drogenprobleme sind in der Touristenmetropole allgegenwärtig. Sie nahm vor allem den Kampf gegen die überbordende Korruption auf. „Ich habe alle Ausschreibungen und Verträge der Stadt öffentlich gemacht“, sagt sie, „und habe ein transparentes Bewerbungsverfahren für städtische Jobs eingeführt.“ Selbstbewusst betont sie: „In meiner Amtszeit habe ich die Korruption drastisch reduziert.“ Den Bau eines Fußballstadions für die WM 2010 stoppte sie zunächst, weil die Gelder fehlten. Erst auf Druck der FIFA musste sie den Bau wieder freigeben. Für ihre Arbeit erhielt sie 2008 die Auszeichnung „Weltbürgermeisterin“ der internationalen Vereinigung „City Mayors“, die Städten neue Impulse für eine nachhaltige Urbanisierung geben will.

Klientelwirtschaft und Korruption sind für Helen Zille die größten Hindernisse für Entwicklung. Hindernisse, die die staatliche Entwicklungshilfe allzu oft noch verstärkt hat. „Staatliche Hilfe hat eine korrupte politische Elite unterstützt und den regierenden Oligarchien erlaubt, sich öffentlicher Rechenschaft zu entziehen“, kritisiert sie. „Außerdem hat sie es ihnen ermöglicht, die politische Opposition auszuschalten. Entwicklungshilfe wurde so zu einem Werkzeug politischer Klientelwirtschaft.“ Man brauche die richtigen Partner: „Heldinnen und Helden aus den Reformbewegungen, Menschen die ein echtes Engagement mitbringen.“

Mit ihrer Politik spricht Zille auch nicht-weiße WählerInnen an, denen die ANC-Vetternwirtschaft nicht behagt. Es hilft ihr, dass sie neben Englisch und Afrikaans auch Xhosa spricht und die in Südafrika unverzichtbaren Tanzeinlagen beherrscht. Vor fünf Monaten gelang ihr dann, was Demoskopen für unmöglich gehalten hatten: Mit 51 Prozent der Stimmen wurde sie Premierministerin der Provinz Western Cape. Jetzt ist Helen Zille die wichtigste weiße Politikerin ihres Landes. Ihre KritikerInnen in der eigenen Partei nennen sie bisweilen arrogant, sie selbst sieht sich als radikale Demokratin dem Wohl ihres Landes verpflichtet. Ihr Arbeitseifer ist berüchtigt, es ist selten, dass sie erst nach sieben Uhr morgens ins Büro kommt.

Helen Zille transportiert das Selbstbewusstsein einer jungen Nation, die trotz aller Probleme eine Menge erreicht hat. „Wir haben in den letzten 20 Jahren vieles erreicht, wofür andere 500 Jahre gebraucht haben.“ Sie spielt damit auf Europa an, das selbst einen langen Weg zurücklegen musste, um Demokratie und Menschenrechte als Standard zu etablieren. Europa findet sie schön, aber ein bisschen langweilig. „Hier gibt es einfach nicht genügend Herausforderungen für mich.“

Claudia Mende ist freie Journalistin in München und ständige Mitarbeiterin der Zeitschrift „welt-sichten“.

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